Von Missionsprokurator Pater Klaus Väthröder SJ, Nürnberg
Als ich Anfang der 90er Jahre zum Studium nach Venezuela kam, wurde heftig im ganzen Land über einen möglichen Militärputsch gegen den damaligen Präsidenten Carlos Andrés Pérez spekuliert. Als Neuankömmling und mit Militärputschen wenig vertraut, fragte ich den landesweit anerkannten Politologen und meinen Kommunitätsoberen P. Arturo Sosa SJ nach diesen Putschgerüchten und bekam als Antwort: "Da gibt es eher einen Militärputsch in Deutschland als in Venezuela." Ich war beruhigt. Einige Wochen später kam Arturo am Abend nach Hause in unsere Kommunität und fragte beim Abendessen in die Runde: "Wisst ihr, ob morgen eine Militärparade angesetzt ist? Da sind so viele Militärfahrzeuge auf den Straßen." Nach kurzem Nachdenken wurde diese Frage in der Runde verneint, und wir gingen zu Bett. Drei Stunden später, es war der 4. Februar 1992, wurden wir von Maschinengewehrfeuer geweckt. Unter Anführung des damaligen Oberstleutnants und späteren Präsidenten Hugo Chávez versuchten die Putschisten vergeblich, den Präsidentenpalast einzunehmen, der ca. 800m von unserer Kommunität entfernt ist. Gemeinsam mit Padre Arturo haben wir noch oft im Nachhinein über diese Geschichte gelacht. Das ist eine Charaktereigenschaft unseres neuen Pater Generals: Er hat Humor und kann auch über sich selbst lachen.
Von 1991 bis 1997 lebte ich mit Padre Arturo in einer Kommunität in Caracas. In der Kommunität war er mein Oberer und im Sozialzentrum Centro Gumilla mein Chef. Während meines zweiten Aufenthaltes von 2000 bis 2007 in Venezuela war er die ersten Jahre mein Provinzial vor Ort, bevor er in Táchira die katholische Universität neu gründete und aufbaute. Arturo ist auf nationaler Ebene sehr bekannt und präsent in den venezolanischen Medien. Trotzdem ist er nie "abgehoben", sondern blieb für alle immer Padre Arturo, ein Name, den er ja auch als Generalsobere der Gesellschaft Jesu behalten möchte.
Er hat eine große Fähigkeit, mit anderen Menschen in Beziehung zu treten. Er lässt sich immer ganz auf sein Gegenüber ein, egal ob er mit unserer Köchin Mercedes Kochrezepte austauscht, mit dem Präsidenten der Republik hohe Politik diskutiert, dem Kleinganoven im Barrio ins Gewissen redet oder einen schwierigen Mitbruder besänftigt.
Auch als Professor, Provinzial oder Universitätsrektor hat er den Kontakt zu den Armen nie abreißen lassen. Im Interstiz arbeitete er mit kleinen Kaffeebauern einer Kooperative, und auch später, während seiner verantwortlichen Positionen, hatte er immer ein pastorales Standbein unter den marginalisierten Bewohnern der Barrios. Die Nähe zu den Armen, der Dienst am Glauben sowie die Förderung der Gerechtigkeit, im Kontext der kulturellen Vielfalt, durchziehen sein Leben.
Das Thema seiner ersten Predigt als Generaloberer - "Glauben heißt: Das Unmögliche versuchen, das Unmögliche hoffen" - hat er als Oberer, Werksdirektor und Provinzial selbst gelebt und immer versucht, auch die anderen darin zu ermutigen. Er hat die Fähigkeit, die Realität zu durchdringen, Potentiale und neue Wege zu entdecken und strategische Visionen zu entwickeln. So geschehen in der zutiefst polarisierten politischen Situation Venezuelas oder später in der komplexen Grenzregion Kolumbien-Venezuela.
Dabei bezieht er andere immer mit ein, um eine konsensfähige Entscheidung herbeizuführen, die er anschließend kompetent umsetzt. Beeindruckt hat mich der apostolische Planungsprozess der venezolanischen Provinz, an dem auch ich teilhaben durfte. Von Beginn an wurden auch nicht-jesuitische Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen verantwortlich einbezogen, und er übertrug die Koordination des Prozesses einer Frau, was für manchen Jesuiten nicht einfach war. Das Ergebnis war ein apostolischer Provinzplan 2000-2020, nach dem die jesuitischen Werke der Provinz bis heute in einem Netzwerk zusammenarbeiten.
Auch als Pater General bleibt er für mich Padre Arturo, der den Mitbrüdern, den Mitarbeitern und den Menschen in seiner Umgebung nahe ist und dem ich zutraue, die Gesellschaft Jesu auch in komplexen Situationen zu führen und aus seinem Glauben sowie der gemeinsamen Unterscheidung heraus neue Visionen für den Orden zu entwickeln.
Klaus Väthröder SJ
P. Klaus Väthröder SJ ist 1960 in Frankfurt/M. geboren und 1986 in den Orden eingetreten. 1991 wurde er zum Priester geweiht. Er hat Politische Ökonmie studiert und in Venezuela an einem Sozialinstitut gearbeitet. Seit 2007 ist er Missionsprokurator und leitet die Jesuitenmission in Nürnberg.